Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Darlehensvertrag mit einer Sollzinsbindungsperiode bis mindestens 31.03.2027, also über einen Zeitraum über 10 Jahre. Gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist ein solcher Vertrag in jedem Fall nach Ablauf von 10 Jahren, nach vollständigem Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten Kündbar. Fehlen, wie im vorliegenden Fall, Angaben hierüber kann der Darlehensnehmer, auch wenn eine Heilung gemäß § 494 Abs. 2 BGB eingetreten wäre, uneingeschränkt kündigen (vgl. Palandt a. a. O., § 494 RdNr. 10).

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Landgericht Mainz
Urteil vom 27.01.2015
6 O 66/14


Tatbestand

Die Klägerin begehrt aufgrund ihrer Finanzierungsbedingungen eine Nichtabnahmeentschä-digung aus dem von den Beklagten nicht abgenommenen Darlehen gemäß Darlehensvertrag (vgl. Darlehensantrag vom 28.12.2011, Anlage K 1, Blatt 29 ff. d. A.; Annahmeerklärung der Klägerin vom 16.01.2012, Anlage K 7, Blatt 70 d. A.).

Der Gesamtdarlehensbetrag von EUR 199.000,00 wurde in zwei Teildarlehensbeträge von EUR 99.00,00, Darlehensvertrag-Nr. 7070381018 und EUR 100.000,00, Darlehensvertrag-Nr. 7070381026 aufgeteilt.

Die Beklagten haben am 28.12.2011 eine Empfangsbestätigung unterschrieben, mit der u. a. der Erhalt des Darlehensangebotes/Darlehensantrages bestätigt worden ist (Anlage K 5, Blatt 67 d. GA).

In Ziffer 3.1 des Darlehensantrages ist zur Darlehenssicherung als Beleihungsobjekt ein Ein-familienhaus in Dienheim angegeben, über das die Beklagten mit Vertrag vom 13.02.2012 einen notariellen Kaufvertrag geschlossen haben. Gemäß Ziffer 4.1 des Darlehensantrages sollte das Darlehen nach Baufortschritt ausbezahlt werden.

Der für die Liegenschaft geltende Bebauungsplan ist durch das OVG Koblenz im einstweiligen Verfügungsverfahren rechtskräftig für unwirksam erklärt worden (Anlage B 3, Blatt 144 ff. d. A.).

Vor Abgabe des Darlehensantrages hatten die Beklagten mit dem als Zeugen benannten Finanzberater, Herrn Pelz, einen Beraterrahmenvertrag geschlossen (Anlage B 1, Blatt 139 d. A.).

Die Klägerin hat mit der Klageschrift ein von dem Zeugen Pelz unterschriebenes Erläute-rungsprotokoll vorgelegt (Anlage K 4, Blatt 65 ff. d. A.), ausweislich dessen Ziffer II. 2 der Vermittler eine Provision von 1 % der Darlehenssumme seitens der Klägerin erhalten soll und auch erhalten hat.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2012 haben die Beklagten den Wi-derruf des Darlehensvertrages bzw. die Kündigung erklärt (B 4, Blatt 165 d. A.). Einen Tag zuvor hatte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten mitgeteilt, dass das Darlehen nicht abgerufen werden könne (Anlage K 10, Blatt 85 d. A.), woraufhin die Klägerseite mit Schrei-ben vom 25.01.2013 den Rücktritt vom Darlehensvertrag erklärte und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt hat (Anlage K 11, Blatt 88 d. A.).

Der Berechnung der Klägerin liegt nach ihren Angaben der Aktiv-Passiv-Vergleich zugrunde. Den Anspruch stützt sie auf Nr. 11 und 12 der Finanzierungsbedingungen des Vertrages (vgl. im Einzelnen Seite 11 der Klageschrift).

Die Klägerin trägt vor,

das Verwendungsrisiko habe bei den Beklagten gelegen. Eventuelle Aufklärungspflichtver-letzungen des Finanzvermittlers Pelz seien ihr nicht zurechenbar. Die ihrerseits gezahlte 1%-ige Vermittlungsprovision sei als übliches Vertriebsentgelt nicht aufklärungspflichtig gewesen. Auf die Abtretbarkeit der Forderung sei auf Seite 5 des Darlehensvertrages hingewiesen worden, womit Artikel 247 § 9 EGBGB genüge getan sei.

Der Widerruf der Beklagten sei erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erklärt worden. Die Widerrufsfrist habe durch Übergabe des Darlehensantrages zu laufen begonnen. Der Schrift-form sei auch genüge getan worden, wenn Antrag nd Annahme jweils getrennt erklärt wer-den. Der Darlehensvertrag sei mit dem Zugang ihrer Annahmeerklärung geschlossen worden. Damit sei auch der Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages für die Beklagten erkennbar gewesen. Die jeweiligen Willenserklärungen seien auch deckungsgleich. Der in der Widerrufsbelehrung enthaltene Zinssatz sei rechnerisch nachvollziehbar und erkläre sich aus der geteilten Darlehenssumme.


Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie EUR 24.277,89 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2013 zu zahlen.


Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie trage vor,

die Klägerin trage das Verwendungsrisiko. Das Verhalten des Zeugen Pelz sei der Klägerin zurechenbar. Dieser habe ihnen – den Beklagten – immer gesagt, das Bauvorhaben könne verwirklicht werden. Da das zu finanzierende Bauvorhaben nicht habe verwirklicht werden können, sei die Geschäftsgrundlage weggefallen.

Da der Darlehensvertrag unter dem Annahmevorbehalt der Klägerin gestanden habe und die unter Ziffer 1 des Unterlagenverzeichnisses zu verbindlichen Angebotsannahme genannten Unterlagen ihnen nicht vorgelegen hätten, sei ein wirksamer Darlehensvertrag nicht zustande gekommen. Die vermeintliche Annahmeerklärung sei hinsichtlich des Darlehensantrages nicht deckungsgleich.

Die Vorschrift der §§ 429 Abs. 3 BGB, 495 Abs. 2 BGB sei verletzt worden weshalb die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Artikel 247 EGBGB, § 3 Ziffer 10 sei verletzt, da nicht alle Kosten im Darlehensvertrag angegeben worden seien.

Die in der Widerrufsbelehrung enthaltenen Zinssätze seien rechnerisch nicht nachvollziehbar; auch deshalb habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen verwiesen. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.01.2013 beruft sich die Klägerin auf eine Entscheidung des LG Münster, die in einem Pa-rallelverfahren eine Formnichtigkeit des Darlehensvertrages gemäß § 126 BGB festgestellt hat.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung gemäß Nr. 12 ihrer Finanzierungsbedingungen.

Die Beklagten haben den streitgegenständlichen Vertrag wirksam mit Schreiben vom 08.12.2012 (Anlage B 4, Blatt 165 d. A.) gekündigt, denn sie haben aus einem Grund, den sie nicht zu vertreten haben, die Annahme des Darlehens verweigert.

Allerdings scheitert die Wirksamkeit des Darlehensvertrages nicht daran, dass das Risiko einer sachgerechten Verwendung eines Kredits bei der Klägerin gelegen hat. Das Risiko einer sachgerechten Verwendung eines Kredits trägt grundsätzlich der Kreditnehmer. Die Klägerin als Bank braucht in der Regel nicht ungefragt über Risiken der geplanten Verwendung aufzuklären (vgl. Palandt, BGB, 73. Auflage, § 280, RdNr. 58).

In vorliegendem Fall ist weder ersichtlich, noch konkret vorgetragen, aus welchen  Gründen die Klägerin entgegen des oben genannten Grundsatzes das Verwendungsrisiko des Kredites tragen sollte. Auch ist weder ersichtlich, noch konkret vorgetragen, dass die Klägerin als Bank diesbezüglich einen Wissensvorsprung, aus dem sich eine Aufklärungspflicht herleiten könnte, gehabt hat.

Auch die Tatsache, dass der Vermittler Pelz auch eine Provision seitens der Klägerin erhalten hat, ist unschädlich. Eine Doppeltätigkeit des Maklers ist grundsätzlich erlaubt. Der Makler kann von beiden Teilen eine Provision fordern, sofern die Doppeltätigkeit nicht zu einer vertragswidrigen Interessenkollision führt, wobei hierfür die konkreten Umstände maßgeblich sind, insbesondere die von dem Makler übernommenen Pflichten und die konkret entfaltete Tätigkeit (Palandt a. a. O., § 654, RdNr. 4 a). Ausweislich des Beraterrahmenvertrages (An-lage B 1, Blatt 138 d. A.) war den Beklagten sogar bekannt, dass Versicherungen und Fi-nanzprodukte nicht an Versicherer, Unternehmen oder Banken vermittelt werden, die dem Makler keine Vergütung gewähren. Im Übrigen liegt die seitens der Klägerin bezahlte Vergü-tung von 2 % der Darlehenssumme im Rahmen des Erlaubten.

Die Wirksamkeit des Darlehensvertrages scheitert auch nicht an der Vorschrift des § 355 Abs. 3 BGB. Aufgrund des Sachvortrags beider Parteien ist davon auszugehen, dass den Beklagten eine Blanko-Abschrift (gemeint: nicht von der Klägerin unterschrieben) ihres Dar-lehensantrages übergeben worden ist. In diesem Zusammenhang können die Beklagten auch nicht damit gehört werden, dieser Antrag sei durch Schreiben der Klägerseite vom 16.01.2012 (Anlage K 7, Blatt 70 d. A.) zu anderen Bedingungen angenommen worden, weshalb mangels übereinstimmender Willenserklärungen kein wirksamer Vertragsabschluss vorliegen würde. Soweit darauf abgestellt wird, laut Annahmeerklärung sei die Grundschuld von sämtlichen Eigentümern zu bestellen, in dem Antrag sei jedoch nur von einem Eigentümer die Rede (Ziffer 3.2) kann hier keine abweichende Vereinbarung gesehen werden, denn es ist auch alleine aufgrund der Formulierung „gegen den jeweiligen Eigentümer“ ersichtlich, dass eine Grundschuld von allen Eigentümern zu bestellen ist. Das Datum des Vertragsabschlusses war daher für die Beklagten erkennbar.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auszahlungsbedingungen Gegenstand des Antrages auf Abschluss des Darlehensvertrages gewesen sind, denn jedenfalls ist die Angabe der Auszahlungsbedingungen gemäß Artikel 247 § 3 Nr. 9 EGBGB, § 503 BGB kein wesentlicher Bestandteil des Vertrages und unterfällt damit nicht der Informationspflicht.

Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, die Widerrufsbelehrungen seien des-halb unwirksam erteilt, da sich aus den den unterschiedlichen Darlehensverträgen beigefüg-ten Widerrufsbelehrungen unterschiedliche Beträge ergeben (vgl. Anlage K 2 und K 3). Es war für die Beklagten ersichtlich, dass sich die in der Widerrufsinformaion ausgewiesenen Beträge jeweils und Ziffer 5. Deutlich ausgewiesen war. Hieraus erklärt sich auch ohne wei-teres der minimale Unterschied des Betrages.

Eine Kündigungsberechtigung ergibt sich jedoch aus §§ 494 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 1, § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Darlehensvertrag mit einer Sollzinsbindungs-periode bis mindestens 31.03.2027, also über einen Zeitraum über 10 Jahre. Gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist ein solcher Vertrag in jedem Fall nach Ablauf von 10 Jahren, nach voll-ständigem Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten Kündbar. Fehlen, wie im vorliegenden Fall, Angaben hierüber kann der Darlehensnehmer, auch wenn eine Heilung gemäß § 494 Abs. 2 BGB eingetreten wäre, uneingeschränkt kündigen (vgl. Palandt a. a. O., § 494 RdNr. 10).

Die Klägerin geht also mit ihrem Einwand in dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 02.01.2015, dass ein Hinweis auf eine Kündigungsmöglichkeit, da ein gebundener Soll-zinssatz vorliege, gemäß § 489 Abs. 2 BGB entbehrlich sei, fehl.

Die Anwendung der oben stehenden, die Kündigung begründenden, Vorschriften sind nicht gemäß § 503 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.

Aufgrund der wirksam erklärten Kündigung kann der Klägerin auch keine Nichtabnahmeent-schädigung zustehen. Die Fallkonstellation ist derjenigen, bei der das Darlehen aufgrund desselben Formmangels nach Auszahlung gekündigt wird – hier fällt keine Vorfälligkeitsent-schädigung an, § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB – gleichzustellen.

Auf die insoweit auch bestrittene Berechnung der Klägerin diesbezüglich kommt es somit nicht an.

Es kommt auch nicht mehr darauf an, ob der Schriftsatz der Beklagtenseite durch ihre Pro-zessbevollmächtigte vom 21.01.2015 als verspätet zurückzuweisen ist und verneinendenfalls, ob der Vortrag erheblich wäre.

Nach alledem war der Klage der Erfolg zu versagen.