Der Kläger war daher berechtigt, die Neuberechnung durch den Sachverständigen E… durchführen zu lassen. Die hierdurch dem Kläger entstandenen Kosten hat die Beklagte zu erstatten.

 

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Oberlandesgericht Celle
Urteil vom 12.04.2006
3 U 3/06


Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. Dezember 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41.422,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 23. Mai 2002 zu zahlen; die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 66 %, die Beklagte 34 %.

    Die Berufungskosten tragen der Kläger zu 63 % und die Beklagte zu 37 %.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

I.

Der Vater des Klägers unterhielt bei der Beklagten mehrere Giro- und Darlehenskonten. Mit notariellem Hofübergabevertrag vom 21. September 1992 /UR-Nr. 644/92 des Notars L… in B…) übernahm der Kläger rückwirkend zum 1. Juli 1992 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den landwirtschaftlichen Hof seiner Eltern. Zugleich trag er in sämtliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Geschäftsbeziehung seines Vaters mit der Beklagten ergaben, ein. Zeitungsberichte, denen zufolge es bei der Beklagten zu Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Konten gekommen war, nahm der Kläger zum Anlass, die seinem Vater erteilten Abrechnungen zu überprüfen. Nachfolgend nahm er die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 17.726,16 DM wegen fehlerhafter Zinsberechnung in Anspruch.

Da eine Einigung der Parteien während des von beiden Seiten angeregten Ruhens des Verfahrens nicht herbeigeführt werden konnte, beauftragte der Kläger den Sachverständigen E… mit der Überprüfung sämtlicher von ihm übernommener Giro- und Darlehenskonten. Aufgrund der vom Sachverständigen E… gefundenen Ergebnisse hat der Kläger erstinstanzlich von der Beklagten Rückzahlung eines Betrages von 122.149,06 € gefordert, und zwar wegen fehlerhafter Wertstellungen, überhöhter Zinsbelastungen, nicht gerechtfertigter Gebühren sowie wegen der Kosten des Sachverständigen E…, die sich auf 6.626,69 € (12.960,68 DM) beliefen.

Das Landgericht hat dem Kläger nach Einholung eines Sachverständigengutachtens 53.167,06 € zuerkannt, die Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die eine teilweise Abänderung des angefochtenen Urteils erstrebt. Sie begehrt die Verminderung der Urteilssumme um insgesamt 18.371,65 € - damit auf 34.795,41 € - und greift das landgerichtliche Urteil in folgenden zwei Punkten an:

a)    Zu Unrecht habe das Landgericht bei der Neuberechnung des Girokontos des Klägers Nr. 1 zwei Abbuchungen im Oktober und November 1992 in Höhe von jeweils 3.000 DM nicht berücksichtigt. Diese Abbuchungen seien jedoch zu Recht erfolgt. Mit den jeweils 3.000 DM sei das Darlehenskonto Nr. 2 bedient worden. Unter Berücksichtigung von Zins- Und Zinseszins ergebe sich entsprechend den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen H… in dessen Alternativberechnung eine Verminderung des dem Kläger entstandenen Schadens um insgesamt 11.74,96 €.


b)    Die Beklagte sei zudem auch nicht verpflichtet, dem Kläger die durch die Beauftragung des Privatsachverständigen E… entstandenen Kosten zu erstatten. Die vom Sachverständigen herausgearbeiteten Abrechnungsdifferenzen beruhten im Wesentlichen darauf, dass nach der heute geltenden Rechtsprechung eine zeitnähere Anpassung der Zinssätze bei zinsvariablen Darlehen hätte vorgenommen werden müssen. Diese Rechtsprechung sei für die Beklagte seinerzeit nicht voraussehbar, ihre Abrechnungspraxis daher nicht schuldhaft gewesen. Der geltend gemachte Anspruch der Beklagten auf Erstattung überzahlter Zinsen und – in geringem Umfang – auch Gebühren stelle sich daher nicht als Schadensersatzanspruch dar. Weshalb der Kläger für die Kosten der „Schadensermittlung“ keinen Ausgleich beanspruchen könne. Im Übrigen hätte der Kläger die Verträge auch durch eine Verbraucherschutzzentrale – für Kosten in Höhe von lediglich 40 € - überprüfen lassen können.


Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Lüneburg abzuändern und die Klage in Höhe von insgesamt weiteren 18.371,65 € nebst anteiligen Zinsen abzuweisen.


Der Kläger beantragt,

        die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.


Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, die Abrechnung der Beklagten hinsichtlich der Darlehenskonten, insbesondere zur Abbuchung von jeweils 3.000 DM im Oktober und November 1992 sei weiterhin nicht nachvollziehbar. Der Anspruch auf Erstattung überzahlter Zinsen sei als Schadensminderungsanspruch aus positiver Vertragsverletzung begründet: Fehlerhafte Wertstellungen der Beklagten und unzureichende Zinsanpassungen seien Vertragsverletzungen, und zwar unabhängig davon, wann diese festgestellt würden.


II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat teilweise Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht die Abbuchung von jeweils 3.000 DM vom Girokonto des Klägers Nr. 1 am 15. Oktober sowie 15. November 1992 als nicht nachvollziehbar angesehen und mit dieser Begründung in der Kontoabrechnung nicht berücksichtigt; demgegenüber ist die Beklagte zu Recht zur Erstattung der dem Kläger entstandenen Kosten des Sachverständigen E…verurteilt worden.

1. Die Beklagte hat das Girokonto des Klägers Nr. 1 am 15. Oktober sowie 15. November 1992 mit jeweils 3.000 DM belastet. Dies ist nicht zu beanstanden, die entsprechenden Be-lastungsbuchungen sind bei der Abrechnung des Kontos entgegen der Auffassung des Landgerichts zu berücksichtigen.

a)    Der Vater des Klägers hatte bei der Beklagten einen Kredit aufgenommen, der unter der Kontonummer 2 geführt wurde. Für den Ausgleich der anfallenden Zinsen sowie zur Tilgung dieses Kredits wurde das Girokonto des Vaters des Klägers – Konto Nr. 2 – vereinbarungsgemäß mit monatlich 3.000 DM belastet. Hiervon verbuchte die Beklagte, wie sie im Berufungsverfahren nochmals unwidersprochen vorgetragen hat, den ihr zustehenden Zinsanteil auf einem eigenen Ertragskonto; der Tilgungsanteil floss dem Kreditkonto zu und führte aufgrund der durch die Tilgung abnehmende Kreditsumme zu abnehmenden Zinsanteilen und – hierdurch bedingt – zu monatlich ansteigenden Tilgungsbeträgen, wie sie sich aus der von der Beklagten vorgelegten Kontoverdichtung (zuletzt als Anlage BB 1 zur Berufungsbegründung, Bl. 640 d. A.) ergeben. Im Oktober 1992 ist hierdurch vom Kredit ein Betrag von 1.587,78 DM, im November ein solcher in Höhe von 1.599,37 DM getilgt worden.


b)    Die Beklagte hat in dem hier fraglichen Zeitraum zunächst mit Wertstellung 15. Oktober 1992 3.000 DM vom genannten Girokonto des Vaters des Klägers abgebucht. Allerdings war diese Abbuchung nicht (mehr) gerechtfertigt, da Zins- und Tilgungsleistungen infolge der Hofübernahme aufgrund des notariellen Vertrages vom 21. September 1992 nunmehr vom Kläger selbst geschuldet wurden. Die Beklagte hat daher am 16. Oktober 1992 mit Wertstellung 15. Oktober 1992 die Belastungssbuchung vom 15. Oktober 1992, bezogen auf das Girokonto des Vaters des Klägers, storniert. Dies ergibt sich aus der Kontoverdichtung für das Girokonto des Vaters des Klägers, die u. a. als Anlage zur Berufungsbegründung (BB 3, S. 642 d. A.) vorgelegt worden ist. Zugleich hat die Beklagte – der Vertragsübernahme durch den Kläger entsprechend – das laufende Konto des Klägers am 15. Oktober 1992 mit 3.000 DM belastet; in gleicher Weise ist sie am 15. November 1992 verfahren. Hiernach erfolgten keine weiteren Abbuchungen, das der Kredit am 17. November 1992 umgeschuldet worden ist.

Die Belastungen auf dem Girokonto des Klägers führten zu Gutschriften auf dem Kreditkonto, wie sie in der Kontoverdichtung (vorgelegt als Anlage BB 1 – Bl. 640 d. A.) ausgewiesen sind, und zwar am 15. Oktober in Höhe von 1.587,78 DM und am 15. November 1992 in Höhe von 1.599,37 DM. Dies entsprach dem Tilgungsanteil, der in der Abbuchung der 3.000 DM enthalten war; den Zinsanteil hat die Beklagte, wie ausgeführt, auf einem Ertragskonto gebucht. Nach den erfolgten Gutschriften belief sich der restliche Kredit auf 190.487,88 DM. Genau dieser Betrag ist dann durch den Kläger selbst abgelöst worden. Soweit die Beklagte die Ablösung mit Wertstellung bereits für den 1. Oktober 1992 vorgenommen hat, ist der Kläger hierdurch nicht belastet.


c)    Der Umstand, dass der Sachverständige die genannten Abrechnungen als nicht nachvollziehbar angesehen hat, ist unerheblich. Er beruht darauf, dass die Beklagte das Kreditkonto des Vaters des Klägers nicht gesondert mit den monatlich anfallenden Zinsen belastet und dann die jeweils eingehenden 3.000 DM auf Zins und Tilgung verteilt, sondern lediglich eine Gutschrift in Höhe des Tilgungsanteils auf dem Kreditkonto vorgenommen und den Zinsanteil auf einem eigenen Ertragskonto gebucht hat. Hieraus erklärt sich auch die vermeintliche Differenz zwischen dem durch den Sachverständigen ermittelten Valutenstand (190.675,03 DM) und dem Betrag von 190.487,88 DM, wie er sich aus der Kontoverdichtung ergibt. Entgegen der Annahme des Sachverständigen ist durch den Kläger nicht ein Betrag von ursprünglich 193.675,03 DM (Stand Ende September 1992) um 3.000 DM zu viel gemindert, und dann auch noch unrichtig (um 187,15 DM) zu gering abgelöst worden. Vielmehr sind dem Konto, ausgehend von einem Sollstand in Höhe von 193.675,03 DM am 15. September 1992, durch die Tilgungsleistungen vom 15. Oktober 1992 in Höhe von 1.587,78 DM sowie vom 15. November 1992 in Höhe von 1.599,37 DM, insgesamt damit 3.187,15 DM, also der Tilgungsanteil der jeweils abgebuchten 3.000 DM gutge-schrieben worden. Der Valutenstand am 17. November 1992 betrug damit bei der Umschuldung durch den Kläger exakt jene 190.487,88 DM, die tatsächlich abgelöst worden sind.


d)    Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Abbuchung von seinem Konto deshalb zu Unrecht erfolgt sei, weil er selbst kein Darlehen bei der Beklagten aufgenommen habe. Der Kläger ist mit dem Hofübernahmevertrag vom 21. September 1992 in alle Verpflichtungen seines Vaters auch gegenüber der Beklagten eingetreten. Damit war er zur Fortsetzung der vereinbarten Tilgung des Darlehens durch Zahlung eines monatlichen Betrages von 3.000 DM für Zins und Tilgung verpflichtet. Abgelöst worden ist diese Verpflichtung erst durch die vom Kläger selbst getroffene Darlehensvereinbarung vom 17. November 1992.


e)    Die Korrektur des Girokontos des Klägers mit der Nr .1 um zwei Sollbuchungen in Höhe von jeweils 3.000 DM am 15. Oktober sowie 15. November 1992 führt rechnerisch zu einer Verminderung des Schadensersatzanspruchs des Klägers um 11.744,96 €, wie auf Grund der Alternativberechnung des Sachverständigen H…zwischen den Parteien unstreitig ist.

 

2. Unbegründet ist das Rechtsmittel der Beklagten, soweit sich diese gegen die Pflicht zur Erstattung der Kosten, die dem Kläger durch die Tätigkeit des Sachverständigen E… entstanden sind, richtet.

a)    Der Erstattungsanspruch des Klägers beruht darauf, dass die Beklagte dem Kläger unberechtigt Gebühren für Stornobuchungen in Rechnung gestellt hat, Wertstellungen verzögert worden sind sowie bei gewährten Krediten mit variablem Zinssatz die erforderliche Zinsanpassung nicht zeitnah vorgenommen hat.


b)    Aufgrund diesem zumindest objektiv vertragswidrigen Verhalten, aus dem sich jedenfalls Bereicherungsansprüche des Klägers auf Rückgewähr zuviel gezahlter Zinsen- und Gebühren ergaben, war die Beklagte gehalten, dem Verlangen des Klägers nachzukommen und eine Neuberechnung sämtlicher Giro- und Darlehenskonten vorzunehmen. Diesem berechtigten Verlangen des Klägers hat die nicht Beklagte entsprochen. Der Kläger war daher berechtigt, die Neuberechnung durch den Sachverständigen E… durchführen zu lassen. Die hierdurch dem Kläger entstandenen Kosten hat die Beklagte zu erstatten. Die Höhe des Anspruchs des Klägers beläuft sich auf den geltend gemachten, durch die Kosten des Sachverständigen bedingten Aufwand in Höhe von 6.626,99 €.

Der Erstattungsanspruch des Klägers ist nicht durch § 254 BGB gemindert. Soweit die Beklagte behauptet, die erforderlichen Neuberechnungen hätten durch die Verbraucherzentrale zu einem Kostenaufwand von 40 € durchgeführt werden können, ist dies ersichtlich unrichtig. Es mag zutreffen, dass Verbraucherzentralen für einen solchen Kostenansatz ein Darlehenskonto unter Zugrundelegung eines geänderten Zinssatzes neu abrechnen. Hierum geht es vorliegend jedoch nicht. Der Schwerpunkt der Neuberechnungen, die der Sachverständige durchgeführt hat und die mehrere Leitzordner füllen, liegen in der Verknüpfung verschiedener Darlehens- und Girokonten und betrifft damit einen Sacherhalt, der weit über die Neuberechnung eines einzelnen Kontos hinausgeht.


c)    Dem Erstattungsanspruch des Klägers steht auch nicht entgegen, dass die Kosten, die durch die Erstellung des Gutachtens durch den Sachverständigen E… entstanden sind, auch als Kosten der Rechtsverfolgung nach § 91 ZPO zu erstatten wären. Grundsätzlich steht der materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch einer Partei unabhängig neben dem Erstattungsanspruch, wie er sich aus prozessualen Vorschriften, insbesondere § 91 ZPO ergibt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 249 Rn. 38 m. w. N.; BGH WM 1987, 247 ff.).


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen ist, sind nicht gegeben.