Eine solche Bindung an einen objektiven Maßstab wie den Kapitalmarkt enthält die von der Beklagten verwendete Zinsklausel aber nicht. Sie lässt sich vielmehr die Befugnis einräumen, bei ihrer Entscheidung über eine Zinsänderung ausschließlich ihrem eigenen Ermessen folgen zu dürfen, wenn ihr Referenzmaßstab nicht der Kapitalmarkt, sondern „die Zinsen zu dem von ihr für Darlehen dieser Art jeweils festgesetzten Zinssatz“ sein sollen. Damit kann sie wegen des Fehlens einer Bindung an einen objektiven Maßstab im Ergebnis auch sämtliche Kalkulationssrisiken auf den Kunden abwälzen, was die Annahme der Nichtigkeit nach § 9 AGBG nahelegt (so auch Reifner, JZ 1995, 866 [873]).

 

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Amtsgericht Ibbenbüren

Urteil vom 12.04.1996

3 C 910/95

Auslegung der Zinsanpassungsklausel „wesentliche Schwankungen des Kapitalmarktzinses“

Leitsatz

  1. Eine auf „wesentliche Schwankungen des Kapitalmarktzinses“ abstellende Darlehenszinsanpassungsklausel gibt der kreditierenden Bank nicht nur das Recht zu Zinserhöhungen, sondern verpflichtet sie gleichzeitig auch, bei Sinken der Zinssätze und damit einhergehender Verbesserung der Refinanzierungskonditionen den Zins herabzusetzen. Im Übrigen erscheint nur eine an einem derart objektiven Referenzmaßstab orientierte Anpassungsklausel AGB-gesetzkonform.
  1. Zur Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Schwankung“ und „Kapitalmarktzins“ in einer solchen Klausel.
  2. Liegt der vereinbarte Zinssatz unter dem Kapitalmarktzins, so müssen spätere Anpassungen diese Differenz in ihrer ursprünglichen Größe weiterschreiben.

Sachverhalt

Die Kläger schlossen am 18.12.1989 mit der Beklagten zur Finanzierung eines Hausbaus einen Vertrag über ein Darlehen von 470.000,00 DM, das durch Grundschulden gesichert wurde. Die Rückzahlung wurde zum 30.12.2015 vereinbart. Die die Verzinsung betreffende Vertragsbestimmung lautete wie folgt: „Das Darlehen ist mit 7,5 % jährlich zu verzinsen. Die Sparkasse ist berechtigt, jederzeit die Zinsen entsprechend dem von ihr für Darlehen dieser Art jeweils festgesetzten Zinssatz mit sofortiger Wirkung durch Erklärung gegenüber dem Darlehensnehmer zu senken oder zu erhöhen. Die Zinsberechnung erfolgt aus dem jeweils valutierten Kapital“. Das Darlehen wurde zu 100 % des Nennbetrages an die Kläger ausgezahlt. Nach erfolgten Sondertilgungen valutierte es beim Eintritt der Rechtsanhängigkeit des vorliegenden Verfahrens mit 320.000,00 DM. Im Herbst 1993 planten die Kläger eine Umschuldung, weil eine andere Bank ihnen günstigere Konditionen bot. Darum kündigten sie den Darlehensvertrag bei der Beklagten. Daraufhin bot diese den Kläger, um sie nicht als Kunden zu verlieren, andere Konditionen an, auf die die Kläger eingingen. Die Beklagte bestätigte die getroffenen Vereinbarungen mit Schreiben vom 02.11.1993 wie folgt: „Ihr vorgenanntes Darlehen werden wir wunschgemäß ab 06.10.1993 mit einem Nominalzins von 6,8 % p. a. abrechnen…Der genannte Zinssatz von 6,8 % p. a. gilt bis auf weiteres. Bei wesentlichen Schwankungen des Kapitalmarktes behalten wir uns Änderungen vor, jedoch nicht vor dem 31.01.1994.“ Entsprechend wurde in der Folgezeit verfahren, bei der Zinsberechnung wurde – zunächst – ein Zinssatz von 6,8 % zugrunde gelegt. Mit Schreiben vom 22.11.1994 teilte die Beklagte den Kläger mit, sie habe den Zinssatz mit Wirkung vom 01.12.1994 auf 7,3 % geändert. Diesen Zinssatz legte sie – ungeachtet des sofortigen Widerspruchs der Kläger – ihren weiteren Zinsberechnungen zugrunde. Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, jeweils eine Zinsanpassung vorzunehmen, wenn der durchschnittliche Effektivzins für variable Hypothekenkredite, der monatlich von der Deutschen Bundesbank mitgeteilt wird, sich um 0,2 Prozentpunkte ändert. Dabei habe sie den Abstand beizubehalten, der bei der Vereinbarung des Nominalzinses von 6,8 % zu dem Durchschnittszins bestand. Auf dieser Grundlage sei die Beklagte bereits im Februar 1994 zu einer Zinssenkung, danach zu mehreren weiteren Zinsanpassungen verpflichtet gewesen. Der Kläger errechnet daraus einen Rückzahlungsanspruch wegen überzahlter Zinsen gegen die Beklagte. Sie ermitteln für die Zeit bis zum 30.06.1995 einen Zinsschaden von 2.421,32 DM, den sie mit der Klage verlangen. Außerdem verlangen sie die Feststellung, dass die Beklagte Zinsanpassungen entsprechend der von Kläger geäußerten Rechtansicht vorzunehmen habe. Die Klage hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen

Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 812 I 1 BGB auf Rückerstattung gezahlter, aber nicht geschuldeter Zinsen für die Monate Dezember 1994 bis Juni 1995 von 933,33 DM. Unter Berücksichtigung der zwischen den Parteien getroffenen Zinsanpassungsregelung erweist sich die von der Beklagten zum 01.12.1994 vorgenommene Zinserhöhung als unbillig i. S. des § 315 BGB und damit als unwirksam; die aufgrund der Erhöhung von den Kläger zuviel gezahlten Zinsbeträge sind zurückzuzahlen. Die auf Abwicklung für die Zeit nach Juni 1995 gerichtete Gestaltungsklage ist zulässig. Für sie besteht ein Rechtschutzbedürfnis, weil die Beklagte das ihr nach § 315 BGB eingeräumte Ermessen nicht in vertragsgerechter Weise ausübt, so dass nach § 315 III BGB eine Bestimmung durch Urteil zu erfolgen hat. Sie ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen führen dazu, dass Zinsanpassungen ausschließlich unter Beachtung der im Folgenden näher beschriebenen Voraussetzungen vorzunehmen sind.

I.

Die Parteien streiten über die Auslegung und Tragweite der Zinsanpassungsvereinbarung, die sie in dem Darlehensvertrag vom 18.12.1989 getroffen und durch die mit Schreiben der Beklagten vom 02.11.1993 bestätigte mündliche Abrede ergänzt haben. Durch sie wird der Beklagten, nachdem sich die Parteien zunächst auf einen bestimmten Ausgangszins geeinigt hatten, die alleinige Befugnis eingeräumt, zukünftig die Höhe des Zinssatzes zu bestimmen. Es handelt sich um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i. s. des § 315 BB, das die Beklagte berechtigt, unter Beachtung der Voraussetzungen dieser Vorschrift Einfluss auf den Umfang der Leistungspflicht der Kläger zu nehmen.

Die Vereinbarungen, die die Parteien im vorliegenden Fall bezüglich des Zinsanpassungsrechts der Beklagten getroffen haben, sind wirksam. Zwar bestehen erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der in dem schriftlichen Darlehensvertrag vom 18.12.1989 unter Nr. 1.1 enthaltenen Klausel mit dem Inhalt: „Die Sparkasse ist berechtigt, jederzeit die Zinsen entsprechend dem von ihr für Darlehen dieser Art jeweils festgesetzten Zinssatz mit sofortiger Wirkung durch Erklärung gegenüber dem Darlehensnehmer zu senken oder zu erhöhen“. Es handelt sich dabei um eine Vertragsbestimmung, die von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden ist und die darum der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG unterliegt. Danach sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Beboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Der BGH hat in seinem Urteil vom 06.03.1986 (BGHZ 97, 212 = NJW 1986, 1803 = LM § 315 BGB Nr. 38) eine Zinsanpassungsklausel, die eine Bank zu Zinsänderungen berechtigt, für unbedenklich erachtet. Er hat dabei aber wesentlich darauf abgestellt, dass nach dem erkennbaren Sinn dieser Zinsklausel für die Bank nur die Möglichkeit eröffnet werden sollte, den variablen Zinssatz den wechselnden Verhältnissen auf dem Kapitalmarkt und den dadurch verursachten Änderungen ihrer Refinanzierungskonditionen anzupassen. Eine solche Bindung an einen objektiven Maßstab wie den Kapitalmarkt enthält die von der Beklagten verwendete Zinsklausel aber nicht. Sie lässt sich vielmehr die Befugnis einräumen, bei ihrer Entscheidung über eine Zinsänderung ausschließlich ihrem eigenen Ermessen folgen zu dürfen, wenn ihr Referenzmaßstab nicht der Kapitalmarkt, sondern „die Zinsen zu dem von ihr für Darlehen dieser Art jeweils festgesetzten Zinssatz“ sein sollen. Damit kann sie wegen des Fehlens einer Bindung an einen objektiven Maßstab im Ergebnis auch sämtliche Kalkulationssrisiken auf den Kunden abwälzen, was die Annahme der Nichtigkeit nach § 9 AGBG nahelegt (so auch Reifner, JZ 1995, 866 [873]). Dieser Frage braucht im vorliegenden Fall aber nicht weiter nachgegangen zu werden, denn diese Klausel wurde bei der Neuordnung des Vertrags, die die Parteien im Herbst 1993 vornahmen, abgeändert und dahingehend ergänzt, dass die Beklagte sich Änderungen des zunächst vereinbarten Zinssatzes ausdrücklich nur „bei wesentlichen Schwankungen des Kapitalmarktzinses“ vorbehielt. Damit wurde ein objektiver Referenzmaßstab in den Vertrag eingeführt, der einer weitergehenden Auslegung zugänglich ist und eine willkürliche Ermessensausübung durch die Beklagte bei ihrer Leistungsbestimmung nach § 315 BGB ausschließt.

Eine solche Zinsanpassungsvereinbarung hält der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand, wie sich aus dem bereits zitierten Urteil des BGH, das beiden Parteien ausweislich des Inhalts ihrer Schriftsätze bekannt ist, ergibt. Eine Klausel dieses Inhalts ist so auszulegen, dass sie nicht nur ein Recht der Bank zur Erhöhung der Zinsen enthält, sondern ebenso eine Verpflichtung zu einer Herabsetzung der Zinsen für den Fall, dass das Zinsniveau sinkt und sich demzufolge die Refinanzierungskonditionen der Bank verbessern. Die weiteren Einzelheiten der Auslegung sind jeweils aufgrund der Umstände des Einzelfalls den konkreten Vereinbarungen der Parteien i. V. mit den nach § 315 BGB zu beachtenden gesetzlichen Voraussetzungen zu entnehmen.

II.

Diese Auslegung hat ausschließlich anhand der Vorgaben zu erfolgen, die sich aus der zwischen den Parteien getroffenen Individualvereinbarung ergeben. Es ist – entgegen der Ansicht der Kläger – nicht möglich, pauschal die Ergebnisse, zu denen das OLG Celle in seinem Urteil vom 24.10.1990 (WM 1991, 1025) kam und bei denen es einen in mehreren Einzelpunkten abweichenden Sachverhalt zu beurteilen hatte, auf die Parteien dieses Rechtsstreites zu übertragen. Die dort verarbeiteten grundsätzlichen Erwägungen, die rechtlich zutreffend und im Ergebnis praktikabel sind, können allerdings auch im vorliegenden Fall Berücksichtigung finden. So ergibt sich, dass die Zinsanpassung zwar nicht in der Weise zu erfolgen hat, wie die Kläger es verlangen, dass andererseits aber die Beklagte nicht berechtigt ist, ihr Rechts zu Zinsänderung in der von ihr praktizierten Weise zu handhaben.

  1. Wie bereits ausgeführt, ist eine Zinsanpassungsvereinbarung der vorliegenden Art nur darum wirksam, weil sie dahin auszulegen ist, dass die Ermessungsausübung der Bank bei der Vornahme von Änderungen sich an einem objektiven Referenzmaßstab auszurichten hat. Dieser Maßstab soll ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 02.11.1993 der „Kapitalmarktzins“ sein, dessen „Schwankungen“ zu Änderungen berechtigen sollen. Beide Begriffe sind unbestimmt, ihr konkreter Inhalt für den vorliegenden Fall ist durch Auslegung zu ermitteln. Der von den Parteien vorgetragene Sachverhalt enthält keine Hinweise darauf, dass sie bereits bei den Vertragsverhandlungen Vorstellungen darüber gehabt oder gar geäußert hätten, wie der Begriff „Kapitalmarktzins“ auszufüllen ist und in welchem Umfang seine „Schwankungen“ Berücksichtigung finden sollen. Darum können Hinweise Für die Auslegung nur aus objektiven Umständen und dem späteren Verhalten der Parteien gewonnen werden.
  1. Der Begriff „Kapitalmarktzins“ deutet bei objektiver Betrachtung auf einen Zins hin, der auf einem Markt von überörtlicher Bedeutung erzielt wird und dessen Beobachtung, ohne unzumutbaren Aufwand beiden Vertragspartnern möglich ist. Die Kläger verstehen darunter den Durchschnittszins für variable Hypothekenkredite nach der Bundesbankstatistik. Dem hat sich die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit im Grundsatz angeschlossen, indem sie die von ihr vorgenommene Zinserhöhung zum 01.12.1994 im vorliegenden Rechtsstreit damit begründet hat, dass der Schwerpunktzins der Bundesbank in den Monaten November und Dezember 1994 bei 8,01 und ihr Refinanzierungszins zwischen 7,64 und 7,84 % lag. Weitergehende Erkenntnisse hat auch die Beklagte zu der Frage, was unter „Kapitalmarktzins“ zu verstehen sein soll, nicht beigetragen. Angesichts der Tatsache, dass die Auslegung unter Wahrung der Interessen beider Parteien zu erfolgen hat, geht das Gericht daher davon aus, dass als Referenzzinssatz derjenige Zins anzusehen ist, der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank als Durchschnittszinssatz für Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke zu Gleitzinsen mitgeteilt wird, denn dabei handelt es sich um einen Zins, der auf der Beobachtung eines großen Markts beruht, für beide Parteien gleichermaßen leicht zu beobachten ist und darum den Vorteil größtmöglicher Objektivität für sich hat.

    Da dieser Durchschnittszinssatz sich im Oktober 1993, als die Parteien die Neuordnung des Darlehensvertrages vornahmen, auf 8,1 % belief und die Parteien sich auf einen Anfangszins von 6,8 % einigten, machten sie den Abstand von 1,3 Prozentpunkten unter dem Durchschnittszins zu einer Grundlage des neuen Darlehensvertrages. Diese Zinsdifferenz wurde Bestandteil ihrer individuellen vertraglichen Vereinbarung und ist von der Beklagten bei zukünftigen Zinsanpassungen zu beachten; diese dürfen nur in der Weise vorgenommen werden, dass jeweils der anfänglich bestehende Abstand von 1,3 % weiterhin bestehen bleibt. Eine Veränderung würde eine Verletzung der anfänglich getroffenen vertraglichen Vereinbarung bedeuten und wäre darum als einseitige Begünstigung der Beklagten unbillig i. S. des § 315 BGB. Das „billige Ermessen“, das der Beklagten durch diese Vorschrift eingeräumt ist, bezieht sich nämlich nicht auf die Frage, wie weit von der Refinanzierungsgrundlage abgewichen werden darf – diese Frage ist durch die anfängliche Zinsvereinbarung bereits bindend beantwortet -, sondern nur darauf, auf welche Weise der Zinssatz festzustellen ist. Allein hier hat der Kreditgeber einen – vom Gericht nach § 315 III BGB zu kontrollierenden – Spielraum, dessen Ausfüllung er im Zweifel substantiiert begründen muss. Da Verträge nach § 157 BGB so auszulegen sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, darf die Partei, der dieses Recht nicht zum Schaden der anderen Partei ausüben. Der Kreditgeber hat somit treuhänderisch die Hauptpflicht des Kreditnehmers nach den §§ 157, 315 BGB in der Weise zu konkretisieren, dass durch die Schwankungen des Zinses am Refinanzierungsmarkt keine Differenz zwischen dem im vertraglichen Synallagma vereinbarten Preis-Leistungs-Verhältnis entsteht (dazu: Reifner, JZ 1995, 866 [869]).

    Eine konsequente Fortschreibung dieser Zinsdifferenz darf möglicherweise dann unterbleiben, wenn die allgemeinen Kapitalmarktänderungen, die sich im Durchschnittszins wiederspiegeln, nicht gleichzeitig in einer Änderung der individuellen Refinanzierungsmöglichkeiten der Beklagten ihren Niederschlag finden. Dazu, dass dies in dem vorliegend zu beurteilenden Zeitraum der Fall gewesen sein könnte und dass dies generell überhaupt möglich sein kann, fehlt es aber an jeglichem Sachvortrag der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten.
  2. Als Auslegungshilfe für die Frage, was die Parteien unter „Schwankungen“ des Kapitalmarkt verstehen wollten, kann nur das beiderseitige Verhalten nach der Vornahme der Vertragänderung im Oktober 1993 herangezogen werden. In den Monaten danach änderte sich der von der Bundesbank mitgeteilte Durchschnittszinssatz von 8,1 % auf 7,64 % im Frühjahr 1994, um danach langsam wieder anzusteigen. Dieses Absinken des Referenzzinssatzes um 0,46 Prozentpunkte wurde von der Beklagten nicht zum Anlass für eine Zinssenkung genommene; andererseits wurde eine solche von den Klägern auch nicht verlangt. Dies zeigt, dass der Wille beider Parteien dahin ging, eine Schwankung des Referenzzinssatzes von 0,46 Prozentpunkten noch nicht als Anlass für die vertraglich vereinbarte Vornahme einer Zinsanpassung anzusehen. Mangels anderer Anhaltspunkte muss davon ausgegangen werden, dass auch beim Vertragsabschluss kein anderweitiger Wille der Parteien bezüglich der Auslegung des Begriffs “Schwankungen“ des Kapitalmarkts vorhanden war. Darum ist es nicht gerechtfertigt, eine Änderung des Referenzzinssatzes von weniger als 0,46 Prozentpunkten als auslösendes Ereignis für eine Verpflichtung zur Zinsanpassung anzunehmen. Da diese Spanne andererseits aber schon erhebliche Auswirkungen auf die von den Kläger zu erbringenden Zinsleistungen hat, erscheint es gerechtfertigt, das Anpassungsrecht oder die Anpassungspflicht der Beklagten bei einer Änderung des Durchschnittszinses von 0,5 Prozentpunkten anzunehmen.
  1. Zu der Ausübung des billigen Ermessens durch die Beklagte bei einer Zinsänderung gehört auch die Wahl eines angemessenen Zeitpunkts. Auch hierzu fehlt in der vertraglichen Vereinbarung der Parteien jede konkrete Festlegung. Würde man dies dahingehen auslegen, es sei der Beklagten freigestellt, den Anpassungszeitraum nach eigenen Belieben zu wählen, so könnte sie dieses Wahlrecht einseitig zu ihren Gunsten nutzen, was der Freuhandfunktion des Anpassungsrechts widerspräche. Die Zinsanpassungsregelung wäre dann wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam. Darum kann nur eine ergänzende Auslegung dahingehen erfolgen, dass die Beklagte auch bezüglich des Zeitpunkts der Anpassung an einen objektiven Maßstab gebunden ist. Dieser ist wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit möglichst weitgehend aus den Vereinbarungen zu entwickeln, die die Parteien selbst getroffen haben.

    Im vorliegenden Fall haben die Parteien sich auf eine Zinsberechnung geeinigt, die jeweils halbjährlich zum 30.06. und 30.12. eines jeden Jahres erfolgen soll. Mangels anderer Anhaltspunkte ist es gerechtfertigt, die Verpflichtung der Beklagten zur Vornahme etwaiger Zinsänderungen zeitlich diesen Intervallen anzupassen, so dass ein geänderter Zinssatz jeweils zum Zeitpunkt einer ohnehin notwendigen Zinsberechnung wirksam wird. Da die Beklagte zur Überprüfung der Möglichkeit einer Zinsanpassung auf die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank angewiesen ist, die jeweils zum Monatsende mit den Berichten über den Vormonat erscheinen, ist unter diesen Umständen der Durchschnittszins der Bundesbank aus den Monaten April und Oktober für das Vertragsverhältnis der Parteien maßgeblich. Dieser Zins wird bis zum Ende der Monate Mai und November veröffentlicht. Der Beklagten stehen dann die Monate Juni und Dezember zur Überprüfung und zur etwaigen Abgabe und Begründung einer Änderungserklärung zur Verfügung, die dann zum Ende dieser Monate wirksam und der fälligen Zinsberechnung zugrunde gelegt werden kann.

    Der Ansicht der Kläger, die Zinsanpassung habe so zu erfolgen, dass eine Änderung jeweils in dem Monat zu berücksichtigen sei, in dem der Schwerpunktzins sich in entscheidungserheblichem Maß geändert hat, folgt das Gericht nicht. Diese Ansicht lässt außer acht, dass der Schwerpunktzins immer erst mit monatlicher Verspätung veröffentlicht wird, dass der Beklagten eine Prüfungsfrist zugebilligt werden muss – immerhin ist sie zwar zu notwenigen Senkungen der Zinsen verpflichtet, kann sich aber bei möglichen Erhöhungen durchaus, z. B. aus Gründen der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit, Zurückhaltung auferlegen – und dass eine Änderung nach § 315 BGB erst wirksam werden kann, wenn sie erklärt worden und dem Kunden zugegangen ist. Die von den Klägern angeregte Automatik ist darum aus Rechtsgründen nicht möglich. Auch hier bedürfte es der Festlegung bestimmter Fristen, für die aber die Individualvereinbarung der Parteien, die bei jeder Auslegung absoluten Vorrang hat, nicht einmal geringfügige Anhaltspunkte hergibt. Aus diesen Gründen zieht das Gericht die vorstehend erläuterte Auslegung, die zu Überprüfungspflicht in bestimmten Intervallen führt, die wiederum an die Zinsberechnungsintervalle gekoppelt sind, vor.

III.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich, dass – entgegen der Ansicht der Kläger – die Beklagte zwar innerhalb eines Zeitraums, der der Begründung der Klageansprüche zugrunde liegt, nicht verpflichtet war, eine Zinssenkung vorzunehmen, dass andererseits aber die von ihr vorgenommene Erhöhung der Zinsen zum 01.12.1994 nicht auf einer billigen Ermessensausübung beruhte, sondern unbillig i. S. des § 315 BGB und damit unwirksam war. Als die Parteien die Zinsvereinbarung von 6,8 % trafen, die die Ausgangsbasis für alle zukünftigen Zinsänderungen darstellt, belief sich der Durchschnittszins der Deutschen Bundesbank auf 8,1 %. In den Monaten April und Oktober 1994 sowie April 1995, in denen eine Anpassungsüberprüfung zu erfolgen hatte, traten keine Änderungen ein, die bei oder über 0,5 Prozentpunkten lagen. Bis zum Ende Juni 1995 ergab sich darum keine Verpflichtung der Beklagten zur Zinssenkung. Soweit die Kläger aus dem Gesichtspunkt nicht vollzogener Zinnsenkungen eine Zahlung vorlagen, ist ihre Klage unbegründet. Andererseits lag der Durchschnittszins während des gesamten Zeitraums von Oktober 1993 bis zum Juni 1995 nie höher als im Oktober 1993, so dass es für die Beklagte keine Möglichkeit zur Zinserhöhung gab. Die mit Schreiben vom 22.11.1994 abgegebene Erklärung einer Zinserhöhung zum 01.12.1994 um 0,5 Prozentpunkte war darum unwirksam. Die Kläger bezahlten in den Monaten Dezember 1994 bis einschließlich Juni 1995 aus dem mit 320.000,00 DM valutierenden Darlehen insgesamt einen um 0,5 Prozentpunkte erhöhten Zins, was einen Betrag von 933,33 DM entspricht. Diesen Betrag hat die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812 BGB zu erstatten und war entsprechen zu verurteilen.

In entsprechendem Umfang ist auch der Feststellungsantrag der Kläger begründet. Bis zur tatsächlichen Beendigung des Darlehensvertrags ist die Beklagte verpflichtet, Zinsänderungen nur unter Beachtung der vorstehenden Erwägungen vorzunehmen. Soweit die Kläger eine weitergehende Ermessenbindung der Beklagte festgestellt wissen wollen, war der Feststellungsantrag zurückzuweisen.