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Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19.01.2012
14c O 115/11

Tatbestand

Der Kläger schloss mit der Beklagten im Jahr 2006 zwei Darlehensverträge zur Finanzierung des Erwerbs eines Arztpraxis-Anteils. Beide Verträge enthielten eine variable Zinsvereinbarung mit einer Zinscap-Prämie.

Der zweite Vertrag wurde vor Inanspruchnahme des Darlehens einvernehmlich aufgehoben. Die Beklagte zahlte die Zinscap-Prämie am 07.12.2009.

Das erste Darlehen mit der Nummer 005 beinhaltet eine Darlehenssumme von 825.000,00 €. Die Darlehensvalutierung erfolgte vereinbarungsgemäß am 01.01.2007. Als voraussichtliches Laufzeitende war der 30.06.2021 angegeben. Bis zum 30.04.2021 wurden ein Zinskorridor mit einem Mindestzinssatz von 3,500 % p. a. und einem Höchstzinssatz von 4,990 % p. a. vereinbart. Außerdem sollte eine Zinscap-Prämie in Höhe von 3,00 % der Darlehenssumme gezahlt werden, die sofort fällig wurde. Die Zinscap-Prämie belief sich mithin auch 24.750,00 €. Einen formularvertraglichen Ausschluss der Rückerstattung enthielt der Vertrag nicht.

Darüber hinaus enthielt der Darlehensvertrag folgende Klausel:

„Die Bank ist berechtigt, die Konditionen (bei Festzinsvereinbarungen mit Ablauf des Festschreibungszeitraumes) – insbesondere bei Änderungen des Geld- und Kapitalmarktes – zu senken oder zu erhöhen. Maßgeblich ist der von der Bank jeweils festgesetzte Zinssatz. Eine Änderung wird mit der Festsetzung durch die Bank verbindlich. Änderungen des Zinssatzes werden dem Darlehensnehmer spätestens mit der Zinsabrechnung mitgeteilt.“

Wegen der Einzelheiten des Darlehensvertrages wird auf Anlage K 1 Bezug genommen.

Am 07.10.2010 hat der Kläger in Ausübung seines Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 2 BGB das Darlehen abgelöst. Er forderte die Beklagte erfolglos auf, die Zinscap-Prämie zeitanteilig zurückzuzahlen.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.

Außerdem sei die Zinsanpassungsklausel und mit ihr die Zinscap-Vereinbarung, die Bestandteil der Zinsvereinbarung der Parteien sei, nach §§ 307, 308 Nr. 4, 315 BGB unwirksam.

Schließlich habe die Beklagte ihre Hinweispflicht verletzt, indem sie nicht darauf hingewiesen habe, dass kein Rückzahlungsanspruch bei vorzeitiger Tilgung bestehe und ein Ausgleich bei anderen Darlehen nur im Rahmen der Kulanz erfolgt sei.

Da die Beklagte ihre Rückzahlungspflicht verletzt habe, sei sie schließlich im Hinblick auf die entstandenen Anwaltskosten zum Schadensersatz verpflichtet.

Der Kläger beantragt,

                        zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

                        die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie selbst habe das Zinsänderungsrisiko durch Vereinbarung mit entsprechenden Interbankkontrahenten pauschal für eine Vielzahl von Darlehen in sogenannten Makroportfolien für vertraglich fest definierte Laufzeiten abgesichert, weshalb es für sie nicht möglich sei, die betreffende Position aus dem pauschalierten Absicherungsgeschäft isoliert herauszulösen.

Sie ist der Ansicht, bei der Zins-Cap-Vereinbarung handele es sich um einen Vertrag eigener Art, bei dem die Bank auch dann den Anspruch auf die Cap-Prämie behalte, wenn der Kreditnehmer durch vorzeitige Rückzahlung seinen Bedarf für die Absicherung selbst beseitige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf zeitanteilige Rückerstattung der von ihm gezahlten Zinscap-Prämie.

Die Vereinbarung der Zinscap-Prämie ist wirksam. Sie ist nicht etwa deshalb unwirksam, weil die variable Zinsregelung einer Inhaltskontrolle nicht standhält. Denn diese verpflichtet weder zur Zinssenkung noch präzisiert sie in welchen Fällen und anhand welcher Parameter die Zinsen erhöht oder gesenkt werden können. Allerdings ist die Zinsregelung dahingehend ergänzend auszulegen, dass der Zinssatz innerhalb der angegebenen Spanne variabel bleibt, und lediglich durch Vertragsauslegung dahingehend zu ergänzen, dass die Zinsanpassung in dem Umfang vorzunehmen war, in dem sich der für vergleichbare Kredite maßgebliche Marktzins änderte (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 16.11.2010, Az.: 5 U 17/10 m. w. N., Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 30.11.2010, Az.: 7 O 214/08 m. w. N.). Damit ist für eine vertragliche Zinsbegrenzung weiterhin Raum.

Die Zinscap-Prämie ist zeitanteilig zurückzuzahlen. Der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag sah die Zahlung einer Zinscap-Prämie in Höhe von 3 % der Darlehenssumme bei Vertragsschluss vor. Es fehlt indes eine Regelung bezüglich der Zinscap-Prämie für den Fall der vorzeitigen, gesetzlich in § 489 Abs. 2 BGB für Darlehensverträge mit variablem Zins vorgesehenen Kündigung. Ein Rückzahlungsausschluss ist nicht enthalten; ebenso wenig ist eine Regelung über eine teilweise Rückzahlung getroffen. Damit handelt es sich um eine verdeckte Unvollständigkeit (Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl. 2012, § 155 Rdnr. 4, § 157 Rdnr. 3 m. w. N.).

Die vertragliche Regelungslücke macht eine Vertragsergänzung im Wege der Vertragsauslegung gemäß §§ 155, 157 BGB erforderlich, da nicht davon auszugehen ist, dass die Parteien den Vertrag ohne eine Einigung abgeschlossen hätten.

Denn für den Kläger war es keinesfalls sinnvoll ein solches Darlehen, das ihm Sondertilgungen und die jederzeitige Kündigung erlaubte abzuschließen, wenn die frühzeitige Tilgung oder die Kündigung dazu führten, dass er letztlich weit mehr zahlte, als bei einem Darlehen ohne Zinscap oder mit festem Zins. Umgekehrt musste die Beklagte damit rechnen, Ansprüche des Klägers ausgesetzt zu werden, wenn sie diesen Punkt nicht regelte. So kam schon bei Vertragsabschluss nach Rechtsprechung und Literatur die Anwendung versicherungsrechtlicher Regeln, die Anwendung der Rechtsprechung zum Disagio oder die Behandlung der Verträge als Vereinbarung von Optionen in Betracht. Überdies bestand die Gefahr, dass sie sich dem Vorwurf eines Beratungsfehlers aussetzte, denn ihr musste klar sein, dass der Kläger als Kunde, den sie über die Risiken bei Vertragsabschluss aufzuklären hatte, möglicherweise einem Irrtum über ihren Rückzahlungswillen unterliegen würde, nicht zuletzt auch, weil Disagios üblicherweise anteilig zurückgezahlt werden und auch Zinscap-Prämien in der Vergangenheit zeitanteilig zurückgezahlt wurden.

Die Regelungslücke kann nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht mit dispositivem Recht geschlossen werden. Eine Anwendung der Regelung des § 68 Abs. 2 VVG begegnet Bedenken. Zwar ähnelt die Ausgangssituation des Darlehensnehmers der eines Versicherungsnehmers. Denn der Darlehensnehmer sichert sich durch die Zahlung der Zinscap-Prämie gegen das Risiko über die Zinsobergrenze hinaus steigender Zinsen ab. Sieht man mit dem Landgericht Bochum (Urteil vom 22.11.1994, Az.: 11 S 327/94) darin ein versicherungsprämienähnliches Entgelt, so ist es unter Heranziehung der Regelung in § 68 Abs. 2 VVG nur für den Zeitraum in dem das Risiko besteht, also während der Darlehenslaufzeit zu zahlen, auch wenn die Bank ebenso wie eine Versicherung mit dem vollständigen Entgelt kalkuliert hat. Indes ist eine Bank keine Versicherung, bei der bei einem Versicherungsnehmer ein Schadensfall eintritt, der mit dem Geldern aller Versicherungsnehmer kompensiert wird, sondern die Verwirklichung des Risikos eines geänderten Zinses trifft alle Beteiligten des jeweiligen Kapitalmarktes und ist durch die Bank mit gegenläufigen Geschäften abzusichern (vgl. Rösler, WM 2000, 1930, 1932 m. w. N.). Eine Qualifizierung als Versicherungsvertrag überzeugt daher nicht.

Vor diesem Hintergrund besteht eine Regelungslücke, die es interessengerecht auf Grundlage des hypothetischen Parteiwillens zu schließen gilt (vgl. Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 157, Rdnr. 7).

Insoweit könnte eine Behandlung wie bei einem Disagio den Parteiinteressen entsprechen. Denn durch die entgeltliche Vereinbarung von Zinsgrenzen wird regelmäßig die laufzeitabhängige Verringerung des Nominalzinses erreicht, wie das auch bei einem Disagio der Fall ist (Trabhardt, VuR 1996, 158, 159 m. w. N.). Demzufolge könnte der Darlehensnehmer nach Ausübung seines Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 2 BGB vom Darlehensgeber die anteilige Erstattung der nicht verbrauchten Zinscap-Prämie – wie nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung bei einem Disagio (z. B. BGH Urteil vom 08.10.1996, Az.: XI ZR 283/85 m. w. N.) – verlangen.

Allerdings steht im Unterschied zur Zinscap-Prämie beim Disagio von vorneherein fest, um wie viel Prozentpunkte der Nominalzins gesenkt wird. Diese Regelung kommt automatisch dem Darlehensnehmer zu Gute. Bei der Zinscap-Vereinbarung ist dies gerade nicht der Fall. Weder der Kreditnehmer, noch der Kreditgeber können bei Abschluss des Darlehensvertrages voraussehen, wie sich das Zinsniveau über die Jahre hin entwickeln wird, und ob letztendlich der Kunde oder die Bank von dieser Entwicklung profitieren werden. Anders als beim Disagio wir also der Nominalzins auch nicht gleichförmig über die gesamte Darlehenslaufzeit gesenkt. Eine Übertragung der Grundsätze ist also jedenfalls nicht ohne weitere Abwägungen sinnvoll.

Man könnte die Zinsbegrenzungsprämie auch als eine Art Serie von Optionen ansehen (Rösler, WM 2000, 1930, 1933). Ob daraus eine Rückerstattungspflicht bei vorzeitiger Darlehensrückzahlung folgt, würde dann von der jeweiligen Sachverhaltskonstellation abhängen. Wenn die Bank – wie hier auch die Beklagte behauptet – das Zinscap-Risiko ihres aus einer Vielzahl von einzelnen Krediten bestehenden Kreditportfolios mit einem oder mehreren Makrohedges unter Einsatz der gesammelten Zinsbegrenzungsprämien pauschal abgesichert hat, ist ihr möglicherweise bei der Rückzahlung nur eines Kredites nicht möglich, diese eine Position separat aufzulösen. Indes verkennt diese Betrachtung, dass für den durch Auslegung zu ergänzenden Vertrag zwischen den Parteien, die Rücksicherung, die die Bank vornehmen mag, zwar ein bei der Feststellung ihrer Interessen zu berücksichtigender Aspekt ist, dieser aber nicht dazu führen kann, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag, entsprechend zu qualifizieren ist. Diesem ist eine Aneinanderreihung von Optionen nicht zu entnehmen.

Es bedarf also einer Feststellung des Parteiwillens und Auslegung des Vertrages, die die Besonderheiten der Zinscap-Prämie berücksichtigt. Deutlich ist, dass die Zinscap-Prämie Teil der Zinsregelung ist und damit Teil des gesamten Entgeltes, das der Kläger als Kreditnehmer für die Überlassung der Darlehenssumme insgesamt zahlt. Klar ist auch, dass sich ihre Bemessung nach Umfang und Laufzeit des Darlehens richtet. Ist doch das Risiko der Überschreitung des vereinbarten Höchstzinssatzes für die Bank umso höher je länger die Laufzeit und je höher der Darlehensbetrag ist. Deshalb wäre auch der Darlehensnehmer niemals bereit eine Zinscap-Prämie, die für eine Laufzeit von 15 Jahren für die Bank das Zinsrisiko absichert, zu zahlen, wenn er in Betracht zieht, nach kürzester Zeit sein Darlehen abzulösen oder zu kündigen. Die jederzeitige Kündbarkeit des Darlehens mit variablem Zins ist für den Darlehensnehmer aber gerade ein besonders wichtiger Aspekt.

Sieht man insgesamt die Zinscap-Prämie als laufzeitbezogene Zinszahlung an, wie es der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 24.11.1999, Az.: X R 144/99, getan hat, so ist anzunehmen, dass die Parteien, die die Risikoverwirklichung bei Vertragsschluss noch nicht kennen, ihre Vertragsgestaltung eine gleichmäßige Risikoverteilung über die Laufzeit zugrunde gelegt hätten und mithin eine zeitanteilige Rückerstattung vorgesehen hätten. Das und ggfs. in welchem Umfang dies zu einer Erhöhung der Zincap-Prämie deshalb geführt hätte, weil der Beklagten die behauptete pauschale Absicherung nicht mehr möglich gewesen wäre, ist nicht festzustellen. Es ist nicht ersichtlich, welche Absicherungs- und Refinanzierungsmöglichkeiten die Bank hat und welche Aufwendungen sie insoweit erbringen muss. Möglicherweise hätten die Parteien eine Begrenzung der Rückerstattungspflicht für den Fall erwogen, dass die Beklagte die Prämie über den zeitanteiligen Betrag hinaus bereits zur Abdeckung eines verwirklichten Zinsrisikos verwenden musste. Das kann jedoch im Streitfall dahinstehen, da insoweit keine Anhaltspunkte bestehen. Nach alledem besteht der Anspruch des Klägers wie berechnet.

Darüber hinaus schuldet die Beklagte Zinsen und Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 600,72 € nebst Zinsen aus § 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 18.241,13 €