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Oberlandesgericht Hamm
Urteil vom 03.11.1997
31 U 95/97

 

Die Bank kann eine Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Vergleichsmethode errechnen als Differenz zwischen dem vereinbarten effektiven Vertrags-zins und der Rendite aus einer laufzeitkongruenten Wideranlage in sicheren Kapitalmarkttiteln. Diese Differenz ist um ersparte Verwaltungskosten und das Darlehensrisiko zu kürzen und der Betrag unter Beachtung des aktiven Wiederanlagezinses abzuzinsen. Die Bank kann ferner ein angemessenes Entgelt für den zusätzlichen Aufwand verlangen.


Tatbestand

Der Kläger verlangt die Rückzahlung zuviel gezahlter Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung aus § 812 BGB.

Am 15.03.1995 schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag über insgesamt 2.150.000,  DM. Der Darlehensbetrag, der für ein Bauprojekt bestimmt war, sollte dem Kläger auf zwei verschiedenen Konten zur Verfügung gestellt werden, und zwar auf dem einen Konto in Höhe von 2.015.000,- DM und auf dem anderen Konto in Höhe von 135.000,  DM. Der anfängliche effektive Jahreszins betrug 7,87 %. Der Zins war festgeschrieben bis zum 30.03.2000. Die Zins- und Tilgungsleistungen sollten jeweils zu 30. eines jeden Monats erfolgen. Ab dem 01.06.1995 war ein Bereitstellungszins in Höhe von 0,25 % pro Monat vereinbart. Zur Auszahlung gelangte in der Folgezeit insgesamt auf beiden Konten nur ein Betrag von 75.926,93 DM. Wegen Schwierigkeiten bei der Durchführung des Bauvorhabens wandte sich der Kläger im Sommer 1995 an die Beklagte mit der Bitte, den Kredit, sobald er ausgezahlt war, vorzeitig zurückzahlen zu können, soweit er nicht valutiert war, ihn nicht mehr abnehmen zu müssen. Die Beklagte unterbreitete dem Kläger unter dem 31.08.1995 ein Abstandsangebot über insgesamt 218.589,45 DM, das der Kläger mit Schreiben vom 08.09.1995 ablehnte. Da der Kläger für sein Grundstück einen Käufer gefunden hatte, der das Grundstück lastenfrei erwerben wollte, einigte er sich schließlich mit der Beklagten darauf, dass er 307.000,- DM zahlte und die Beklagte im Gegenzug die Löschungsbewilligung für die ihr eingeräumten Grundpfandrechte erteilte. Der Kläger behielt sich vor, Rückforderungsansprüche bezüglich des zum 17.11.1995 zu zahlenden Betrages geltend zu machen.

In der Folgezeit holte der Kläger ein Gutachten des Instituts für Finanzdienstleistungen ein. Sodann forderte er die Beklagte unter Fristsetzung zum 31.07.1996 zur Rückzahlung eines Teilbetrages in Höhe von 167.876,81 DM auf. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 31.07.1996 jegliche Zahlung ab.

Der Kläger hat behauptet, mit dem Zeugen X., Mitarbeiter der Beklagten, sei vor Vertragsabschluss besprochen worden, dann eine etwaige Vorfälligkeits- oder Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von allenfalls 3 % des Darlehensbetrages fällig werden würde.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 151.111,70 DM nebst 7,87 % Zinsen seit dem 17.11.1995 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage in Höhe von 81.871,55 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen.

Die Berufung des Klägers hat keinen erfolg. Seine Anschlussberufung und die Berufung der Beklagten sind teilweise erfolgreich.


Urteilsbegründung

Die Beklagte ist infolge der Zahlung von 307.000,- DM zum 17.11.1995 im Umfang von 13.733,09 DM ungerechtfertigt bereichert, § 812 BGB.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte berechtigt ist, von dem Kläger so-wohl für die Nichtabnahme des Kredites wie auch für die vorzeitige Ablösung des valutierten Teils des Darlehens eine Entschädigung zu verlangen. Insoweit bedarf es keiner weiteren Ausführungen, zumal entsprechende Ansprüche auch in Rechtsprechung und Literatur unumstritten sind (vgl. dazu Bruchner, Bankrechts-Handbuch, §§ 78 und 80 m. w. N.)

Wegen der Nichtabnahme des Kredites stehen der Beklagten Schadensersatzansprüche aus § 326 BGB zu (vgl. Bruchner, a. a. O., § 80 Rdn. 3 ff. m. w. N.). Da sich der Kreditgeber bei Darlehen mit fester Laufzeit grundsätzlich nicht ohne weiteres auf jedes Verlangen nach vorzeitiger Ablösung einlassen muss, kann er seine Zustimmung dazu von einer Entschädigung abhängig machen. Bei der Bemessung dieser Entschädigung hat er sich an dem Gewinn zu orientieren, den er erzielt hätte, wenn das Darlehen über den vorgesehenen Festschreibungszeitraum bedient worden wäre (vgl. BGH WM 1997, 1747).

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte hat der Darlehensgeber bei der Berechnung des Nichtabnahmeschadens verschiedene Möglichkeiten der Schadensberechnung. Er kann einerseits den Zinsmargenschaden bezüglich eines etwaigen Zinsverschlechterungsschadens verlangen oder bei der Bewertung des Schadens die sog. Aktiv-Passiv-Vergleichsmethode zugrunde legen. Nach denselben Grundsätzen ist auch eine Vorfälligkeitsentschädigung zu bemessen (vgl. dazu BGH Urteil vom 01.07.1997 - WM 1997, 1747). Übersteigt die von der Beklagten im vorliegenden Fall ver-langte Vergütung von 307.000,- DM den ihr für die Nichtabnahme und die vorfällige Tilgung zustehenden Betrag zuzüglich des rückzuzahlenden Darlehensteils nebst Zinsen und Bereitstellungszinsen, ist sie um die dazwischen liegende Differenz ungerechtfertigt bereichert, § 812 BGB.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Beklagte nicht darauf beschränkt, ihren Schaden nach Ziffer 4 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehalten, einen eventuell höheren Schaden geltend zu machen. Im übrigen hat der Kläger, wie da LG zutreffend aufgeführt hat, auch nicht bewiesen, dass ihm zugesagt worden ist, dass ein höherer als der pauschal berechnetet Schaden nicht in Ansatz gebracht werde. Der Senat tritt insoweit der überzeugenden Beweiswürdigung des LG bei, § 543 Abs. 2 ZPO.

Die Beklagte hat nunmehr in zweiter Instanz eine neue Berechnung unter Beachtung der vorgenannten Rechtssprechung des BGH im Urteil vom 01.07.1997 (WM 1997, 1747) vorgenommen. Sie ist dabei der Berechnung des Schadens sowohl bei der Vorfälligkeits- wie bei der Nichtabnahmeentschädigung von der sog. Aktiv-Passiv-Vergleichsmethode aufgegangen. Ausgangspunkt für die erlittenen Nachteile des Darlehensgebers ist danach die Differenz zwischen dem vereinbarten effektiven Vertragszins (BGH WM 1996, 2047 = ZIP 1996, 1895; Bruchner, a. a. O., § 80 Rdn. 12) und der Rendite aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in sicheren Kapitalmarkttiteln, wobei diese Rendite auf der Grundlage statistischer Angaben aus den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ermittelt werden kann. Die so ermittelte Differenz ist um angemessene Beträge für die ersparten Verwaltungskosten über die Vertragslaufzeit und das entfallene Darlehensrisiko zu kürzen. Die sich auf der Grundlage dieses Differenzzinses ergebenden Einbußen sind auf den Zeitpunkt der Zahlung der Entschädigungen unter Beachtung des aktiven Wiederanlagezinses (Rendite) abzuzinsen. Darüber hinaus kann die Beklagte ein angemessenes Entgelt für den mit der vorzeitigen Ablösung und der Nichtabnahme verbundenen Verwaltungsaufwand verlange, dessen Ermittlung auch im Wege der Schätzung zulässig ist ist (BGH WM 1997, 1799).

Die Beklagte hat ihrer Berechnung zutreffend zunächst den vereinbarten Zinssatz von effektiv 7,87 % zugrunde gelegt. Sie ist weiter entsprechend dem Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für September 1996 für festverzinsliche Wertpapiere (Stand November 1995) von erzielbaren Renditen zwischen 4,0 %,4,4 %,4,8 % und 5,3 % je nach Lauf-zeit ausgegangen. Aus den so ermittelten Zinssätzen hat sie die Differenz ermittelt.

Diese Zinsdifferenz hat sie um ersparte Verwaltungskosten und Kosten für das Risiko vermindert. Diese Kosten hat sie auf 0,24 % für Verwaltungsaufwand und 0,06 % für Risikoaufwendungen geschätzt und sich dazu auf die Entscheidung des OLG Schleswig vom 02.10.1996 (WM 1997, 522 = ZIP 1997, 501) gestützt. Wenn die vom OLG Schleswig vorgenommenen Schätzungen auch für Realkreditinstitute vorgenommen wurden, zu denen die Beklagte nicht zählt, erscheint es doch gerechtfertigt, die Beklagte im vorliegenden Fall ebenso zu behandeln, da dem Kläger ein grundpfandlich gesicherter Kredit zur Verfügung gestellt worden ist. Der Kläger ist der neuerlichen Berechnung der Beklagten auch nicht entgegengetreten. Soweit die Beklagte die Verwaltungskosten nicht in vollem Umfang von 0,24 % in Anrechnung bringen will, sondern insgesamt nur 1/6 oder 0,04 %, muss der Senat nicht abschließend entscheiden, ob gerade dieser Anteil von Verwaltungskosten erspart ist. Es erscheint aber überzeugend, dass der Anteil des Verwaltungsaufwandes bis zur Auszahlung des Kredites bzw. bis zu seiner Bereitstellung erheblich größer ist als der, der nach dieser Zeit anfällt. Während nach Auszahlung bzw. bis zu seiner Bereitstellung im wesentlichen nur noch buchhalterische Arbeiten, die edv-mäßig vorgenommen werden, anfallen, sind insbesondere bis zu Bewilligung erheblich intensivere Untersuchungen Erhebungen teilweise auch durch qualifiziertere Mitarbeiter der Beklagten erforderlich. Im Rahmen einer Schätzung nach §287 ZPO erscheint es daher jedenfalls angemessen, wenn die Beklagte mit ersparten Verwaltungskosten von etwas mehr als der Hälfte (nämlich 0,14 %) der insgesamt anfallenden Verwaltungskosten rechnet. Der Abzug von 0,2 % für Verwaltung und Risiko ist daher nicht zu beanstanden.

Auf dieser nicht zu beanstandenden Grundlage errechnet sich die Beklagte eine Nichtabnahmeentschädigung (in Anlage B 1, Bl. 183 fälschlich Ablöseentgelt genannt) in Höhe von 199.487,89 DM für das nichtabgenommene Kapital aus Konto-Nr. …. und 7.336,08 DM aus dem vorzeitig zurückgeführten Kapital  für das eben genannte Konto, von 13.399,47 DM für das nicht abgenommene Kapital aus Konto-Nr. … und 457,22 DM aus dem vorzeitig zurückgezahlten Kapital auf dieses Konto. Daraus ermittelt die Beklagte – wegen des vorzeitigen Anfalls des Gewinn – abgezinste Entschädigungen in Höhe von 178.360,81 DM, 6.559,14 DM, 11.980,38 DM und 408,80 DM. Diese abgezinsten Beträge sind nachvollziehbar, wenn man den abgezinsten Betrag nach der Formel K1 = Kn : (1 + p/100)n/2 berechnet. Dabei entspricht K1 dem abgezinsten Betrag, Kn dem vorzeitigen Zinsgewinn, p dem Wiederanlagezins und n der Restlaufzeit des Ursprungskredits. Daraus errechnet sich ein von dem Kläger zu zahlender Gesamtbetrag von 197.309,13 DM.

Darüber hinaus kann die Beklagte Bearbeitungsgebühren für die vorzeitige Abrechnung des Darlehens verlangen, die in Anlehnung an die Entscheidung des BGH vom 01.07.1997 (WM 1997, 1747) mit 500,- DM angenommen werden kann. Allerdings kann die Beklagte diesen Betrag nicht zweifach verlangen, da sie zwar aus banktechnischen Gründen auf zwei verschiedenen Konten aber nur ein einheitliches Darlehen bewilligt hat. Jedenfalls im vorliegenden Fall kann die Beklagte nicht für jedes Konto einzeln eine Bearbeitungsgebühr berechnen. In die Gesamtabrechnung sind ferner die bereits valutierten Beträge von 71.472,33 DM und 4.454,60 DM sowie Bereitstellungszinsen in Höhe von 18.306,55 DM und 1.229,30 DM einzustellen. Daraus ergibt sich ein Gesamtbetrag von 293.266,91 DM, den die Beklagte hätte verlangen können. Dieser Betrag von dem vom Kläger gezahlten Betrag von 307.000,- DM abgesetzt, ergibt eine Überzahlung des Klägers in Höhe von 13.733,09 DM.

Die Beklagte hat darüber hinaus die gezogene Nutzung aus dem gezahlten Betrag herauszugeben, § 818 Abs. 1 BGB. Diese Nutzungen sind mit 5,3 % (Wiederanlagezins) zu bemessen, und zwar ab dem 18.11.1995, nachdem der Kläger den Betrag von 307.000,- DM zum 17.11.1995 gezahlt hatte. Darüber hinaus stehen dem Kläger Verzugszinsen in Höhe von 7,87 % vom ausgeurteilten Betrag seit dem 01.08.1996 zu, nachdem die Beklagte jegliche Rückzahlung endgültig verweigert hatte.