Der Vortrag der Klägerin, seit Kontoeröffnung seien sämtliche Kontoauszüge an die Beklagte gereicht worden, ist schon deshalb unerheblich, weil Kontoauszüge keinen Rechnungsabschluss darstellen, sondern lediglich die Mitteilung eines reinen Postensaldos beinhalten, der der Bank die Kontrolle über die vom Kunden getroffenen Verfügungen und dem Kunden die Übersicht über seinen Kontostand erleichtern soll.

 

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Kammergericht Berlin
Urteil vom 22.03.2004
8 U 268/03

 

Kontoführungsvertrag: Kontoauszug als Rechnungsabschluss

Tenor


Auf die Berufung der Beklagten, wird das am 8. Juli 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten der ersten und zweiten Instanz hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 8. Juli 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:
Der streitgegenständliche Kreditvertrag sei sittenwidrig.
Sie, die Beklagte sei seit Jahrzehnten Kundin bei der Klägerin gewesen und habe dort ihr Gehaltskonto geführt, das ein monatliches Einkommen von weniger als 1000,00 DM auf-gewiesen habe. Dieses Einkommen habe sie, die Beklagte, als Fließbandarbeiterin bezo-gen. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass sie, die Beklagte, weder geschäftlich noch zeitlich in der Lage gewesen sei, einen Motorradhandel zu führen.
Da der Sohn, der einen Motorradhandel geführt habe, nicht mehr kreditwürdig gewesen sei, habe die zuständige Sachbearbeiterin der Klägerin im Jahre 1988 angeregt, dass der Motorradhandel und das Geschäftskonto auf den Namen der Beklagten eingerichtet wer-de.
Die Auszahlung des Kredits werde bestritten. Sie, die Beklagte, habe keinerlei Kontoab-schlüsse erhalten. Es werde bestritten, dass die von der Klägerin behaupteten Valutenstände bestünden. Die Klägerin habe Sicherheiten, die von dem Sohn der Beklag-ten gegeben worden seien, verwertet. Bei dem Fahrzeug mit dem Kennzeichen ... handele es sich um ein für Rennen aufgearbeitetes Motorrad des Sohnes der Beklagten. Eine Abrechnung über die Verwertung fehle bis zum heutigen Tage. Die Verwertung der Si-cherheiten für irgendwelche Unterkonten sei nicht zulässig, da diese Sicherheiten für den streitgegenständlichen Kredit gegeben worden seien und es für eine Erhöhung des Kredits durch die Einräumung von Unterkonten keinerlei Vereinbarung gegeben habe.
Darüber hinaus sei der geltend gemachte Anspruch aber auch verwirkt, da sie, die Be-klagte nach der Kündigung des Darlehens mit Schreiben vom 18. Mai 1995 über 7 Jahre nichts mehr von der Angelegenheit gehört habe.

Die Beklagte beantragt,
das am 8. Juli 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin abzu-ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:
Der streitgegenständliche Kreditvertrag sei nicht sittenwidrig. Die Rechtsprechung zu den so genannten Mitverpflichtungsfällen von Ehegatten oder anderen Angehörigen finde vor-liegend keine Anwendung.
Die Beklagte sei Inhaberin des Motorradhandels S gewesen, dessen Betrieb sie insbe-sondere auch für ihren Sohn angemeldet habe. Der Betrieb habe mindestens seit 1988 bestanden. Der Sohn der Beklagten sei offenkundig in der Position eines Betriebsleiters tätig gewesen. Dieser habe ebenso wie der Ehemann der Beklagten über eine Kontovoll-macht über das streitgegenständliche Konto verfügt.


Dass die Beklagte darüber hinaus auch einer abhängigen Erwerbstätigkeit nachging, sei ihr, der Klägerin, bekannt gewesen. Diese Tätigkeit habe die Möglichkeit auch in dem Motorradhandel tätig zu sein, nicht ausgeschlossen. Die Beklagte sei die rechtlich und wirtschaftlich Berechtigte an den Erträgnissen aus dem Motorradhandel gewesen. Die Initiative zur Gründung des Motorradhandels durch die Beklagte und zur Kontoeröffnung sei nicht von ihr, der Klägerin, ausgegangen. Der Ehemann der Beklagten habe vielmehr im Termin zur mündlichen Verhandlung bei dem Landgericht geäußert, dass dies auf die Initiative des Steuerberaters zurückgegangen sei.

Neben den Unterlagen zur Kontobewegung seien der Beklagten ggf. zu Händen ihres Bevollmächtigten über Jahre Kontoauszüge und die mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2003 eingereichten und dargelegten Kontenabschlüsse gereicht worden. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass die Beklagte nicht in den Besitz auch nur einer Kontounterlage gelangt sein soll, die über Jahre an sie, die Beklagte, versandt worden seien. Eine Verwertung der gestellten Sicherheiten auf andere Verbindlichkeiten der Beklagten sei gemäß Nummer 19 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich gewesen.
Für eine eventuelle Verwirkung fehle es nicht nur an Zeit, sondern auch am Umstandsmoment.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des vom Landgericht zuerkannten Betrages gemäß § 607 BGB.


Das Urteil ist schon deshalb abzuändern, weil die Klägerin Zahlung eines abzuändern, weil die Klägerin Zahlung eines Betrages in Höhe von 50.000,00 DM, also 25.564,59 Euro verlangt und – wohl nur versehentlich – Zahlung eines Betrages in Höhe von 26.564,59 Euro beantragt hat. Das Landgericht wäre gemäß § 139 Abs. 1 ZPO verpflichtet gewesen auf die Fehlerhaftigkeit des Antrages hinzuweisen.


Die Klägerin hat im Übrigen nicht schlüssig vorgetragen, dass sie der Beklagten 25.564,59 Euro zur Verfügung gestellt hat; darüber hinaus ist sie auch für diese Behauptung beweisfällig geblieben. Noch mit der Klageschrift hat die Klägerin vorgetragen, sie habe der Beklagten aufgrund eines am 1. Februar 1993 geschlossenen Kreditvertrages einen Betrag in Höhe von 25.564,59 Euro zur Verfügung gestellt. Nachdem die Beklagte die Auszahlung des Kredits bestritten hat, hat die Klägerin ihren Vortrag dahingehend berichtigt, dass der streitgegenständliche Kreditvertrag vereinbart worden sei, um die bis dato ungeregelten Überziehungen auf eine vertragliche Basis zu bringen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihren Vortrag weiter konkretisiert, in dem sie behauptet, bei Vertragsabschluss habe die Verbindlichkeit auf dem Konto der Beklagten in Höhe von 41.334,16 DM valutiert.


Dem schriftlichen Kreditvertrag ist all dies nicht zu entnehmen. Er beinhaltet lediglich die Vereinbarung eines Bankkredits bis zum Höchstbetrag von DM 50.000,00 zur Inanspruchnahme auf dem Konto 06 996 449 01. Weder ist dem Vertrag zu entnehmen, dass dieser Betrag an die Beklagte bereits ausgezahlt worden sei noch kann ihm entnommen werden, dass er der Ablösung eines ungeregelten Dispositionskredites dienen solle. Erst Recht ist dem Kreditvertrag nicht zu entnehmen, dass das Konto, auf dem der Kredit in Anspruch genommen werden soll, sich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Soll befand. Der Kreditvertrag beinhaltet daher auch weder das Anerkenntnis, dass die Beklagte einen Betrag in bestimmter Höhe von der Klägerin erhalten habe, noch beinhaltet er ein Saldoanerkenntnis.

Die Klägerin hat auch nicht schlüssig vorgetragen, dass sie der Beklagten zu irgend einem Zeitpunkt, vor oder nach Abschluss des Kreditvertrages, entsprechend Ziffer 7 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Rechnungsabschluss übersandt habe, der den Abschluss eines Saldoanerkenntnisvertrages zur Folge gehabt habe. Ein Saldoanerkenntnisvertrag kommt zustande, in dem die Bank den Rechnungsabschluss mitteilt und der Kunde das Anerkenntnis annimmt. Einwendungen wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Rechnungsabschlusses hat der Kunde nach Ziffer 7 Abs.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen spätestens innerhalb eines Monats nach dessen Zugang zu erheben. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt, so heißt es in Ziffer 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen "als Genehmigung". Da diese Rechtsfolge für den Kunden von großer Bedeutung ist, ist die Bank verpflichtet auf sie "bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonders hinzuweisen" (Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Auflage, § 7 Rdnr.77).


Der Vortrag der Klägerin, seit Kontoeröffnung seien sämtliche Kontoauszüge an die Beklagte gereicht worden, ist schon deshalb unerheblich, weil Kontoauszüge keinen Rechnungsabschluss darstellen, sondern lediglich die Mitteilung eines reinen Postensaldos beinhalten, der der Bank die Kontrolle über die vom Kunden getroffenen Verfügungen und dem Kunden die Übersicht über seinen Kontostand erleichtern soll (Schwintowski a.a.O., § 7 Rdnr.78). Soweit die Klägerin behauptet, sie habe der Beklagten jeweils zum Monatsende Abschlüsse gereicht und der letzte ordentliche Kontoabschluss vor Ausspruch der Kündigung im Mai 1995 sei zum 30. April 1995 erfolgt und habe auf ein Debet in Höhe von 51.978,06 DM gelautet, kann diesem Vortrag ebenfalls nicht entnommen werden, dass ein Saldoanerkenntnisvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei.


Als Rechnungsabschluss genügt es nämlich nicht, in einem Kontoauszug zum Quartalsende die Abrechnung der Zinsen und Spesen aufzunehmen. Damit gibt die Bank lediglich zu erkennen, dass sie ihrer Pflicht nachgekommen ist, alle unter die Kontokorrentvereinbarung fallenden Forderungen und Leistungen in das Kontokorrent einzustellen. Erforderlich ist vielmehr eine Kennzeichnung als Rechnungsabschluss, etwa als Quartalsabschluss (Schwintowski a.a.O). Weder kann dem Vortrag der Klägerin entnommen werden, dass der angeblich übersandte Kontoabschluss vom 30. April 1995 diesen Anforderungen genügt, noch kann dem Vortrag der Klägerin entnommen werden, dass dieser Kontoabschluss die gemäß Ziffer 7 Abs.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erforderliche Belehrung über die Rechtsfolgen nicht rechtzeitiger Einwendungen enthält. Darüber hinaus ist die Klägerin aber auch für die Behauptung, die Beklagte habe diesen Kontoabschluss erhalten, beweisfällig geblieben.


Das Kündigungsschreiben vom 18. Mai 1995, das die Beklagte unstreitig erhalten hat, kann ein Saldoanerkenntnis nicht zur Folge haben, da es weder einen ordnungsgemäßen Rechnungsabschluss noch die gemäß Ziffer 7 Abs.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erforderliche Belehrung enthält.


Die Klägerin müsste folglich im Einzelnen unter Beweisantritt darlegen, welche Beträge im Rahmen des seit dem 25. Juli 1989 mit der Beklagten bestehenden Kontokorrentverhältnisses geflossen sind. Diesen Anforderungen genügen die in der Berufungsinstanz einge-reichten aufbereiteten Handelsbuchauszüge schon deshalb nicht, weil sie mit einem Debetsaldo in Höhe von 34.731,66 DM beginnen. Zwar hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. März 2004 weitere Handelsbuchauszüge eingereicht, die die Kontoentwicklung seit dem 25. Juli 1989 aufzeigen, die im Einzelnen aufgeführten Buchungen sind aber in der Regel nicht aus sich heraus verständlich. Teilweise ist der eingereichte Ausdruck auch nicht lesbar. Nicht nachvollziehbar vorgetragen ist auch die Umbuchung des Debetsaldos am 21. September 1994 auf ein weiteres Unterkonto.


Im Übrigen hat die Klägerin auch nicht dargelegt, welchen Erlös sie aus der Verwertung von Sicherheiten erzielt hat. Der bloße Hinweis auf die Verrechnung vom Erlös mit Forderungen aus anderen (welchen?) Kontoverbindungen reicht schon deshalb nicht aus, weil die Sicherheiten hier ausdrücklich für den Kredit bestimmt waren.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.


Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.