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Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss vom 13.11.2000
4 W 3836/00

 

 

Beschluss

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes XXX vom 21. September 2000 dahin geändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten 13.473,57 DM betragen (statt 14.301,67 DM).

II. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Das Rechtsmittel ist zulässig. Der Senat wertet den als „Erinnerung“ bezeichneten Rechtsbehelf der Beklagten vom 12. Oktober 2000 als sofortige Beschwerde. Als solche ist das Rechtsmittel – anders als eine Erinnerung – statthaft; einer Abhilfeentscheidung durch den Rechtspfleger des Landgerichts XXX bedufte es nicht (§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO; § 11 Abs. 1 RPflG; vgl. OLG Nürnberg, JurBüro 1999, 537 m. w. N.).

Die sofortige Beschwerde ist (nur) zum Teil begründet.

1) Allerdings hat das Landgericht im Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht entschieden, dass die Einholung eines vorprozessualen Privatgutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war (§ 91 ZPO).

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten sind in den Beschluss-Gründen zutreffend wiedergegeben. Der Senat teilt auch die Einschätzung des Landgerichts, dass diese rechtlichen Anforderungen vorliegend erfüllt waren. Angesichts der komplizierten Sachlage, die sich nicht zuletzt in der langen Verfahrensdauer, im weit überdurchschnittlichen Umfang der Akten und in der nachhaltigen Diskussion komplizierter technischer Zusammenhänge widerspiegelt, war es der Klägerin nicht zuzumuten, die bereits ins Auge gefasste Klage ohne fachliche Vorbereitung zu erheben, - noch dazu gegen eine Beklagte, die nicht nur über eigene Fachleute verfügte, sondern sich möglicherweise auch noch des Sachverstandes der hinter ihr stehenden Haftpflichtversicherung bedienen konnte. Dem Ansinnen, im Hinblick auf den hohen Streitwert zunächst nur eine Teilklage zu erheben, wegen des dadurch verringerten Prozessrisikos auf ein vorprozessuales Privatgutachten zu verzichten und sich auf das Gutachten eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen zu verlassen, hätte die Klägerin zwar folgen können; verpflichtet war sie dazu aber nicht. Auch war sie unter den gegebenen Umständen rechtlich nicht gehalten, den Weg eines selbstständigen Beweisverfahrens einzuschlagen.

Rückblickend betrachtet hat das Privatgutachten seinen Zweck im Wesentlichen erreicht. Es hat den Weg für eine sachgerecht vorbereitete Klage geebnet und bildete eine geeignete Grundlage, auf der die weiteren gerichtlich angeordneten  Beweiserhebungen aufbauen konnten.

2) Hingegen waren die Kosten für die beiden erst während des Prozesses eingeholten Ergänzungsgutachten nicht „notwendig“ im Sinne des § 91 ZPO. Solche Aufwendungen wären nur unter besonderen Umständen erstattungsfähig, etwa dann, wenn die Partei ohne fachliche Beratung nicht in der Lage wäre, Fragen an den gerichtlichen Sachverständigen zu formulieren, ein mit guten Gründen für falsch gehaltenes Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen zu widerlegen oder der Anforderung des Gerichts fachlichen Substanziierung ihres Sachvortrags nachzukommen (vgl. OLG Düsseldorf, OLG-Report 1997, 245; OLG Stuttgart, NJW RR 1996, 255; OLG Hamm, OLG-Report 1996, 105; Zöller-Herget, ZPO, 21. Aufl., § 91 Rn 13 „Privatgutachten“ m. w. N.; Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl. § 91 Rn 49). Von solchen Ausnahmefällen abgesehen ist in einem anhängigen Prozess für die Klärung umstrittener Tatsachen-Fragen grundsätzlich die Beweisaufnahme vorgesehen und in deren Rahmen – falls erforderlich – die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht.

Dem angefochtenen Beschluss ist nicht zu entnehmen, ob das Landgericht die unterschiedlich strengen Voraussetzungen für vorprozessuale Privatgutachten einerseits und für prozessbegleitende Privatgutachten andererseits bedacht hat. Die Beschlussgründe heben den Unterschied zwischen beiden Fallgestaltungen jedenfalls nicht ausdrücklich hervor. Nach Ansicht des Senats reichen die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte nicht aus, um über das vorprozessuale Gutachten hinaus auch noch die beiden während des Prozesses eingeholten Ergänzungsgutachten als erstattungsfähig einzustufen.

Beide Ergänzungsgutachten mögen aus Sicht der Klägerin prozesstaktisch durchaus zweckmäßig und vorteilhaft gewesen sein. Notwendig im Sinne des § 91 ZPO waren sie aber nicht. So hätten die fachlichen Ausführungen die die Beklagte in der Klageerwiderung vorgebracht hat und zu denen die Klägerin das mit Datum 14.05.1995 berechnete Privatgutachten angefordert hatte, auch in dem sich ohnehin abzeichnenden gerichtlichen Sachverständigengutachen mitbehandelt werden können. Eventuelle Einwendungen gegen den mittlerweile erlassenen Beweisbeschluss, die sich die Klägerin von der mit Datum 11.04.1996 berechneten Auskunft versprach, hätten dem Gericht unmittelbar vorgetragen werden können. Wären ihre Bemühungen, sich mit ihren Anliegen unmittelbar an das Gericht zu wenden, trotz berechtigten Anlasses erfolglos geblieben, hätte die Klägerin immer noch ihren Privatgutachter zu Rate ziehen können. So lag der Fall jedoch hier nicht; jedenfalls ist dazu nichts vorgetragen.

3) Zur Höhe der notwendigen Privatgutachterkosten sind in der Beschwerde-Entscheidung nur insoweit Ausführungen veranlasst, als sie die Rechnung vom 19.04.1994 betreffen (oben Nr. 1). Die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe der beiden anderen Rechnungen sind gegenstandslos, weil sie – wie in Nr. 2 dargelegt – ohnehin nicht erstattungsfähig sind.

Bei der Rechnung vom 19.09.1994 über 9.817,10 DM (netto) bezweifelt die Beklagte die Angemessenheit es Sachverständigen-Honorars, ohne allerdings konkret darzulegen, woraus sich der Klägerin Bedenken gegen die beanspruchte Vergütung hätten aufdrängen müssen. Fehlen stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass eine Sachverständigen-Rechnung überhöht ist, so ihm beauftragten – noch dazu öffentlich bestellten und vereidigten – Sachverständigen über den Anfall und die Notwendigkeit von Arbeitsstunden einzulassen.